Jugendreisen Nachhaltige Entwicklung Jugendverbände

Faire Freizeiten in der Jugendverbandsarbeit 

Jugendverbandliche Freizeitmaßnahmen werden im Kern von jungen Menschen selbst organisiert und bestimmt, gemeinschaftliche gestaltetet und mitverantwortet. Sie basieren auf Freiwilligkeit und orientieren sich an den jeweiligen Werten der Jugendverbände. Aus diesen Gründen entscheiden sich junge Menschen sehr oft bewusst für ein entsprechendes Angebot der Jugendverbände und -ringe.

Die Freizeiten sind Teil und wichtiger Höhepunkt der Jugendverbandsarbeit. So vielfältig wie die Jugendverbände, sind auch ihre jeweiligen spezifischen Themen, die auf den Bildungsmaßnahmen, Zeltlager, Ausflüge, Freizeiten oder Wochenendfahrten der Jugendverbände und -ringe behandelt werden. Die Teilnehmer*innen der Aktivitäten nutzen den Rahmen, um unverzweckt in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten ihren Interessen nachgehen zu können. Dabei spielen vor allem aktuelle gesellschaftliche Aspekte bei der organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung der jugendverbandlichen Freizeiten eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt sind es insbesondere nachhaltige Themen, die bei der Planung und Umsetzung sowie beim Bildungsangebot der Freizeiten einen immer höheren Stellenwert einnehmen. 

Das Kochbuch über nachhaltige Verpflegung auf Freizeiten. Der Katalog mit nachhaltigen Unterkünften. Pädagogische Konzepte für eine inhaltliche Programmplanung zu Nachhaltigkeit. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Checklisten für faire Freizeiten. Das gibt es quer durch alle Verbände und wird je nach Schwerpunktsetzung unterschiedlich angewendet. Fest steht: Eine Maßnahme der Jugendverbandsarbeit kann nicht den Anspruch haben, in allen Bereichen entsprechend der 17 Nachhaltigkeitsziele zu wirken. Eine 100% faire Freizeit scheitert oftmals an finanziellen und anderen strukturellen Hürden, bei der Ausstattung der Zeltplätze bzw. Orte der Unterbringung oder auch bei der Förderung der Jugendverbandsarbeit, die mögliche zusätzliche Kosten nicht abdecken kann. 

Unabhängig der Schwerpunktsetzung auf das Thema Nachhaltigkeit bei jugendverbandlichen Reisen, basieren die jeweiligen pädagogischen Konzepte sowie die Art und Weise, wie Jugendverbände ihre Freizeiten gestalten, auf langjähriger Praxiserfahrung. Die Freizeiten – wie auch die Jugendverbandsarbeit allgemein – sind dabei von verbandsspezifischen Methoden und Inhalten geprägt, die sich seit jeher im Kern an den Nachhaltigkeitszielen orientieren. Nichts desto trotz sind bestimmte Aspekte von fairen Freizeiten in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus gerückt. Im Folgenden werden unterschiedliche Schwerpunkte näher beleuchtet, die nachhaltiges Jugendreisen fördern. 

Herausforderungen einer ökologischen Reise

Die An- und Abreise zu Maßnahmen der Jugendverbandsarbeit finden in der Regel mit der Teilnehmer*innengruppe statt. Beliebtes Reisevehikel ist insbesondere der Bus. Wenn dieser nur zur Hälfte gefüllt ist, lohnt sich die Nachfrage beim Reiseunternehmen, ob kleinere Busse zur Verfügung stehen. Es ist sicherlich auch hilfreich zu schauen, ob eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit Fahrgemeinschaften (zum nächsten Bahnhof) oder sogar mit dem Fahrrad möglich ist – immer unter Berücksichtigung der pädagogischen und gruppendynamischen Voraussetzungen im Teilnehmer*innenfeld. Manchmal sind Fahrten in die nähere Umgebung nicht nur kostengünstiger, sondern bieten auch ähnliche Voraussetzungen wie Regionen mit anstrengender, stundenlanger Anreise. 

Eine wesentliche Herausforderung beim Reisen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist insbesondere die Anbindung zur Unterkunft, die nicht immer direkt mit Bus und Bahn erreichbar ist. Auch während der Maßnahme möchten die Gruppen mobil sein – ohne guten ÖPNV gestaltet sich das oftmals schwierig. Neben dem Ausbau von ÖPNV, insbesondere in ländlichen Regionen, sind mögliche Mobilitätskonzepte durch ökologisch sinnvolle Fahrdienste oder (Lasten-)Fahrräder eine erstrebenswerte Option.

Kriterien für eine nachhaltige Unterkunft? 

Zelten in der Natur oder einfache Gruppenunterkünfte sind auf den ersten Blick unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit eine sinnvolle Alternative. Dennoch gilt auch hier darauf zu achten, ob Kriterien einer ressourcenschonenden Unterbringung eingehalten werden können. Die Deutsche Wanderjugend hat für ihre Reisen einen Erfassungsbogen für Unterkünfte nach ihrem Nachhaltigkeitsbeschluss erarbeitet. Unterkünfte sollen so vor Reiseantritt zu nachhaltigen Bewirtschaftung und Unterbringung abgefragt und sensibilisiert werden. 

Im Sinne der Nachhaltigkeitsziele sind bei Unterkünften nicht nur ressourcenschonende oder klimafreundliche Aspekte zu beachten. Gleichberechtigung der Geschlechter, Barrierefreiheit oder faire Arbeitsbedingungen der Angestellten gehören ebenso in den Fokus. Es ist nicht einfach, den richtigen Kriterienkatalog für nachhaltige Unterkünfte zu entwickeln und daran anknüpfend eine Datenbank oder eine Zertifizierung zu erarbeiten. In der Landschaft der Gruppenunterkünfte bestehen bereits unterschiedliche Verzeichnisse und Labels. Eine Orientierung an den Nachhaltigkeitszielen bei bestehenden Suchverzeichnissen oder Zertifikaten wäre wünschenswert, ohne diesen Bereich noch weiter aufzublähen. Schon jetzt ist oftmals unklar, welches Zertifikat für welche Qualifizierung steht. 

Gemeinsam nachhaltig Kochen

Nachhaltiges Kochen auf Freizeiten ist immer wieder eine Herausforderung. Gerade weil der Geldbeutel und Hygienevorschriften oftmals den Vorstellungen einer fairen und gesunden Ernährung im Wege stehen. Es gibt aber Möglichkeiten, auch hier durch ressourcenschonenden Umgang an der einen oder anderen Stellschraube zu drehen. Produkte aus fairem Handel, regionale und saisonale Lebensmittel oder der Verzicht auf Fleisch und die Bevorzugung von vollwertigen Produkten sind nur einige Beispiele. Schwierig wird es vor allem beim Einkauf und der Verwertung der Lebensmittel. Ein gesundes Mittelmaß, wo alle satt werden und gleichzeitig nichts übrig bleibt, ist nicht immer einfach. Falls doch mal etwas übrig bleibt, ist eine Weiterverwendung an Dritte (Foodsharing) eine gute Alternative zum Mülleimer (natürlich getrennt). 

In der Jugendverbandsarbeit gibt es schon seit vielen Jahren immer wieder Kochbücher, die sich mit Gruppenkochen und Rezepten für große Gruppen auseinandersetzen. Einige Kochbücher aus den Jugendverbänden haben sich in der Vergangenheit auf nachhaltiges Kochen eingestellt. Exemplarisch seien hier die „Nachhaltige Freizeitküche“ der Evangelischen Kinder- und Jugendfreizeiten und „Reiseproviant“ der Naturfreundejugend genannt.

Wie steht’s eigentlich ums Material?

Der Einkauf für eine Freizeit besteht nicht nur aus Lebensmittelbeschaffung. Pädagogisches Material, Ausrüstung, Zelte, Dinge für den täglichen Bedarf, die Liste kann in vielerlei Bereichen weiter geführt werden. Es gelten dabei ähnliche Voraussetzungen wie beim Lebensmitteleinkauf. Materialien, die unter fairen Bedingungen hergestellt werden, sind für nachhaltige Reisen erstrebenswert und dies sollte bei der Anschaffung immer reflektiert werden. Eine Übersicht und Liste für Ausrüstung und weitere Materialien aus nachhaltiger Produktion für Gruppenreisen gibt es im umfassenden Sinne nicht. Einige Jugendverbände bieten über diverse Plattformen eigenes pädagogisches Material und z.T. auch Ausrüstung für Freizeiten an. 

Nachhaltigkeit als fester Bestandteil der Programminhalte

Die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 decken eine Palette an Themen ab, für die die Jugendverbandsarbeit seit jeher steht. Bildung für Nachhaltige Entwicklung findet sich im Non-formalen und Informellen immer in der Jugendverbandsarbeit auf fast allen Maßnahmen und in Aktionen wieder. Dementsprechend sind Materialien, Programmreader oder pädagogische Konzepte für Freizeiten je nach den Interessenslagen der Jugendverbände unterschiedlich gestaltet. Fest steht: Das übergreifende Thema Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil der Programminhalte. Die Herausforderung besteht vor allem darin, dass die unterschiedlichen Themen im Querschnitt und in ihrer Gesamtheit unter der Überschrift der Nachhaltigen Entwicklung gedacht werden müssen und beispielsweise ein Workshop zu Armut nicht unabhängig zum Arbeitskreis zu  Maßnahmen für den Klimaschutz gedacht werden muss. Nachhaltigkeit ausschließlich auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit Klimaschutz zu verknüpfen, greift zu kurz.

Es ist noch ein weiter Weg, eine zukunftsfähige Politik zu gestalten, die ein sozial gerechtes Leben in einer intakten Umwelt formt. Die Jugendverbandsarbeit trägt ihren Teil dazu bei, indem sich junge Menschen auf Freizeiten und anderen Maßnahmen mit Themen der Nachhaltigen Entwicklung beschäftigen. Es gibt dabei noch das eine oder andere zu tun, um Verbandsstrukturen von der Sinnhaftigkeit und Machbarkeit nachhaltiger Reisen zu überzeugen. Vieles ist aber bereits umgesetzt oder in Umsetzung. Eine ideale „faire Freizeit“ wird es so schnell nicht geben. Dafür müssen gesellschaftliche und strukturelle Veränderungen geschaffen werden, die vorrangig durch politische Entscheidungen erreicht werden. Jugendverbände und –ringe bringen sich in diesem Prozess durch ihre Positionen und ihre Arbeit vielfältig ein. 

Autor: Ludwig Weigel (Referent für Jugendpolitische Themen im DBJR) 

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Die Erkenntnisse in den diversen Schwerpunkten beziehen sich insbesondere auf die Ergebnisse der Auseinandersetzung in der Werkstatt Jugendreisen des DBJR und der Kampagne #faireFreizeiten. Unter diesem Hashtag haben Mitgliedsorganisationen des DBJR über ihre Social-Media-Kanäle vorhandene Konzepte, Ideen und Erfahrungen zu nachhaltigen Jugendreisen geteilt. Die Aktion fand vom 17. Juni und bis zum 28. Juni 2019 statt. 

Weitere Links:

  • Faire Ferien, ein Gemeinschaftsprojekt von Evangelischer Jugend in NRW (aej NRW) und Katholischer Jugend NRW (BDKJ NRW)
  • Reisen und Sport der Naturfreundjugend

 

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